Der Philosoph René Descartes charakterisierte den gesunden Menschenverstand als die «am besten verteilte Sache» der Welt.
Der gesunde Menschenverstand sei dasjenige in der Welt, was am besten verteilt sei. Mit diesem staunenswerten Satz eröffnete Renatus Cartesius vor bald vierhundert Jahren seinen »Discours de la méthode«.
Der »Vater der neueren Philosophie«, wie man ihn in früheren Zeiten gerne titulierte, verriet alsogleich, was für seine überaus höfliche Vermutung sprechen soll.
Und die Begründung, in präzise Umständlichkeit gekleidet, verblüfft nicht minder, als die Behauptung selbst kühn erscheint:
Jedermann meine, mit ebenjenem Verstand so gut ausgestattet zu sein, «dass selbst diejenigen, die in allen anderen Dingen schwer zu befriedigen sind, davon [vom gesunden Verstand] sich nicht mehr zu wünschen pflegen, als sie haben».
Es verwundert angesichts der ironischen Schlagseite dieser grosszügigen Umverteilung des Verstandes nicht, dass es mit dem philosophischen Ansehen der am besten verteilten Sache der Welt"
alsbald bergab ging im Lande des Cartesius, wo ebendiese Sache bon sens hieß, so weit bergab, dass – wie die Begriffsgeschichte lehrt –
für Voltaire, den bissigen Geistesaristokraten der Aufklärung, der gesunde Verstand nurmehr zwischen «stupidité» und «esprit» rangierte –
und zwar als rohe, pöbelhafte Vernunft («raison grossière») naturgemäss etwas näher bei der Dummheit wohnend als beim sprühenden Geist.
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